Chiapas ist der mexikanische Staat, welcher im Süden den grössten Teil der Grenze zu Guatemala bildet. In den tiefen, heissen Lagen beherrschte tropischer Dschungel die Landschaft. Tief darin versteckt fanden sich Spuren der Maya Kultur und kleine Kommunen, wo die Nachkommen der Maya zum Teil noch heute weitgehend isoliert leben. Einige der antiken Städte wurden bereits erforscht und freigelegt, während viele weitere Ruinen unter der üppigen Vegetation auf ihre Wiederentdeckung warten. Gegen Westen hin stieg das Gelände bis auf über 2500müM an. Föhrenwälder und Nebelwald dominierten dort das Bild. Kristallklare Flüsse, gespeist von den Regenfällen in den Bergen, bildeten willkommene Oasen zum Abkühlen. Entlang der guatemaltekischen Grenze verlief eine Strasse, welche an einigen bedeutenden Maya Ruinen, vielen Wasserfällen und Flüssen vorbeiführte. Dieses Gebiet wurde erst vor etwa 30 Jahren verkehrstechnisch erschlossen. Zuvor waren nur ein paar Dschungelpfade zur Verbindung der kleinen Dörfer vorhanden. Entlang der heutigen Strasse lagen wenige kleine Ortschaften ohne grosse Infrastruktur, weshalb es angebracht war, sich vor der Fahrt mit genügend Treibstoff und Lebensmitteln zu versorgen.
Wir verbrachten einen ruhigen Sonntag im schönen Maya Bell Campingplatz, denn wir wussten, dass sonntags alle Ruinen viel mehr Besucher aufwiesen, da für die Mexikaner an diesem Tag der Eintritt gratis war. Der Ruhetag tat uns gut, denn noch immer war es sehr warm und feucht und der schöne Pool lud zum Abkühlen ein. Im schattigen Dschungel konnten wir viele Vögel beobachten und sogar einige Brüllaffen bekamen wir zu Gesicht. In der Nacht krochen und flogen unzählige Leuchtkäfer durch die Dunkelheit, was wir in der Schweiz nur noch ganz selten zu sehen bekommen.
Am nächsten Morgen waren wir früh bei den Ruinen. Noch auf dem Parkplatz lernten wir Myriam und Abraham aus Liestal kennen. Auch sie waren mit einem Landcruiser Richtung Südamerika unterwegs. Da die beiden die Strecke, welche wir für die kommenden Tage geplant hatten, gerade gefahren waren, konnten sie uns einige interessante Tipps dazu geben.
Die Ruinen lagen inmitten von Urwald, lediglich um die Gebäude und Pyramiden herum war der Wald gerodet worden. Von verschiedenen Aussichtspunkten aus bekamen wir einen eindrücklichen Ausblick auf die Anlage. Einmal mehr gab es wunderschöne, fein gearbeitete Reliefs zu bestaunen. Zudem war es hier sogar möglich, einen Teil der Pyramiden zu betreten und die Innenräume zu besichtigen. Auch der Dschungel, in welchem die Anlage gebaut war, bot mit mächtigen Bäumen, bewachsen von hunderten von Bromelien und Orchideen und einer Vielzahl blühender Büsche eine wahre Augenweide.
Wie bei vielen anderen Mayastätten in Mexico war auch die Geschichte von Palenque von kurzer Dauer. Erste Erwähnungen wurden auf das Jahr 500 datiert, bereits 300 Jahre später war die Kultur aber offenbar im Untergang begriffen. Während dieser kurzen Zeitspanne entwickelte sich allerdings eine sehr starke Gesellschaft, welche die Umgebung weitgehend beherrschte. Gleichzeitig mit dem allgemeinen Niedergang der Maya Kultur verschwand auch Palenque von der Bildfläche, wobei auch hier weder Erklärungen noch Dokumente zu diesen Ereignissen existieren.
Die Strasse führte nun mehrheitlich durch landwirtschaftlich erschlossenes Gebiet, in welchem vor allem Rinderzucht betrieben wurde. Die Transportfahrzeuge, welche die Tiere zum Markt brachten, stellten denn auch einen guten Teil des spärlichen Verkehrs dar. In einer der kleinen Lacandonen Siedlungen verbrachten wir eine Nacht. Die Lacandonen oder wie sie sich selbst bezeichnen «wahren oder echten Menschen» sind Abkömmlinge der Maya und leben im östlichen Chiapas noch heute weitgehend nach ihren Traditionen und ihrer Religion. Eine der ansässigen Familie bot mitten in ihrem kleinen Dorf die Möglichkeit, in Hütten oder im Camping zu übernachten. Auf die Frage, wie viele Einwohner das Dorf zähle antwortete der Besitzer der Anlage, dass es ca. 150 seien und wenn man Frauen und Kinder mitrechnet, etwa 400. Im Gespräch mit dem Mann erhielten wir einen kleinen Einblick in das Leben dieser Ureinwohner, welche erst vor wenigen Jahrzehnten mit der westlichen Zivilisation in Berührung gekommen waren.
Am nächsten Morgen wollten wir eigentlich die in der Nähe gelegenen Ruinen von Bonampak besuchen. Diese stehen unter der Verwaltung der Indios und für die letzten 10 km bis zur Anlage war man gezwungen, einen Shuttle Service zu benutzen. Für diese kurze Strecke hin und zurück verlangten sie 100 M$/Person. Dafür legte man in Mexico üblicherweise gut und gerne 200km im modernen Bus zurück. Nachdem wir bereits eine dubiose Gebühr bezahlt hatten, um nur ins Dorf zum Übernachten fahren zu dürfen und für die Ruinen selbst auch nochmals ein Eintritt erhoben wurde, hatten wir genug von der Abzockerei und verzichteten auf den Besuch. Es ist einerseits verständlich, dass die Urbevölkerung, denen dieses Gebiet gehörte, heute mit Ihren Einrichtungen Geld verdienen wollen, teilweise grenzten die Kosten jedoch an Wucher.
Stattdessen fuhren wir direkt nach Frontera Corozal. Von dort aus ging es per Boot eine halbe Stunde flussabwärts, um zu den Ruinen von Yaxchilan zu gelangen. Während der kurzweiligen Fahrt konnten wir mehrmals Krokodile beim Sonnenbaden beobachten. Auch diese Mayastätten lagen mitten im Urwald und der Rundgang war entsprechend schweisstreibend. Wir bekamen sehr schöne Stelen, mit Gravuren verzierte Steinsäulen, und weitere Skulpturen zu sehen. Diese waren hier noch vor Ort zu bewundern, da es zu aufwändig gewesen wäre, sie wie viele der Kostbarkeiten aus anderen Ruinen, ins Museum in Mexico Stadt zu transportieren. Generell gab es in Yaxchilan sehr viele feine Steingravuren zu bestaunen, wie wir erfuhren, eine Besonderheit in dieser Region. Auch die Lage der Ruinen direkt am Fluss war sehr eindrücklich und speziell schön. Während der Hauptsaison sollen bis zu 1200 Leute pro Tag gezählt werden, bei unserem Besuch waren vielleicht 50 Personen dort, was uns erlaubte, alles in Ruhe und ohne Hektik anzusehen.
Einer der Tipps, die wir von Myriam und Abraham erhalten hatten, führte uns zu diesem Ort. Wie sie uns empfohlen hatten, buchten wir einen Bootsausflug in den Montes Azules Nationalpark. Dieser war weitgehend unzugänglich und eine der wenigen Möglichkeiten, wenigstens einen winzigen Teil des Parks zu sehen, war eine Bootstour. Zusammen mit einem mexikanischen Besucherpaar fuhren wir frühmorgens den Rio Lacantun hinunter und bogen dann auf einen kleinen Nebenfluss ein. Bereits auf den ersten Kilometern hatten wir Gelegenheit Vögel, Affen und Krokodile zu sehen. Die abenteuerliche Fahrt auf dem Fluss führte tiefer und tiefer in den unberührten Urwald hinein. Immer wieder zeigte uns der Bootsführer Tiere, die wir selbst nie entdeckt hätten, und dies obschon die vielen Hindernisse und Untiefen im Wasser seine volle Aufmerksamkeit erforderten. Plötzlich fuhren wir auf einen etwa einen Meter hohen Wasserfall zu. Dort ging die Fahrt jedoch nicht wie wir dachten, bereits zu Ende, im Gegenteil, der Bootsführer schoss mit viel Schwung durch den schmalen Ablauf hoch und überwand die Stufe. Höhepunkt der Tour war für uns die Sichtung von Tapiren. Gleich drei der mächtigen Tiere bekamen wir entlang des Flusses oder im Wasser schwimmend zu sehen. Wir hatten zwar nicht wie zuvor Myriam und Abraham das Glück, einen Jaguar beobachten zu können, aber auch Tapire bekommt man nicht alle Tage zu Gesicht.
Unten ein kurzes Video welches einen Eindruck vermittelt wie schwierig es für den Bootsführer war uns trotz des tiefen Wasserstands und der vielen Hindernisse tief in den Nationalpark "Montes Azules" zu fahren:
Wir hatten beschlossen, nicht im beliebten Las Nubes unterzukommen, sondern wählten einen weniger bekannten Übernachtungsplatz im kleinen Dorf Loma Bonita am Rio Lacantun. Der Campingplatz lag im Schatten grosser Bäume direkt am Fluss. Wir genossen einen Ruhetag in der Hängematte liegend und lesend, dazwischen kühlten wir uns gerne immer wieder im kühlen, klaren Bach ab. Das türkisfarbene Wasser und der feine Sandstrand bildeten einen schönen Kontrast zum grünen Dschungel am Ufer. Ein Wanderweg führte hoch über den Fluss, von wo aus wir einen herrlichen Blick auf die vielen Becken und Wasserfälle des Rio Lacantun geniessen konnten. Der Aufstieg war bei der heissfeuchten Luft allerdings eine schweisstreibende Angelegenheit, obwohl nur etwa 1.5 km und vielleicht 150 Höhenmeter zu bewältigen waren. In den Büschen rund um unser Camp raschelte es immer wieder. Unzählige Echsen, einige weit über einen Meter lang, waren unsere scheuen Nachbarn. Wir beobachteten die unterschiedlichsten Arten von braunen über knallgrüne, gestreifte und gepunktete und in allen Grössen. Auch unzählige Vögel zwitscherten über uns in den Bäumen.
Wir hatten am Lago Tziscao übernachtet. Nach den vielen Wochen mit heissen Tagen und Nächten war es sehr erholsam, wieder einmal bei angenehmen Temperaturen zu schlafen. Wir merkten allerdings, dass wir uns offenbar schon ziemlich an die Hitze gewöhnt hatten, denn als am Nachmittag bei 24°C ein frischer Wind aufkam, zogen wir bald schon einen Pullover an.
Von unserem Übernachtungsplatz waren es nur wenige Kilometer zum Lagos Montebello Nationalpark. Dieser lag auf etwa 1500müM und umfasste eine Vielzahl von Seen, eingebettet in den Urwald des bergigen Umlands. Wir besuchten als erstes den Lago Pojoj. Der tiefblaue See, umgeben von einem Kranz von Bergen, hatte in der Mitte eine kleine Insel, welche mit Balsaholzflössen erreicht werden konnte.
Ganz in der Nähe des Parkplatzes startete eine der wenigen Wanderungen im Nationalpark, der Sendero el Perol. Der Weg führte etwa 3 km durch den Urwald zu einem Aussichtpunkt hoch über dem Lago Cinoc, einem weiteren der vielen Seen. Die Temperaturen waren ideal zum Wandern, zudem lag praktisch der ganze Weg im kühlen, schattigen Wald. Wir drehten beim Aussichtspunkt wieder um, um zu unserem Auto zurück zu kehren. Die Wanderung könnte jedoch bis zum Seeufer hinunter fortgesetzt werden. Dort bestand die Möglichkeit, mit einem Balsaholzfloss über den See zu gelangen und anschliessend per Taxi zum Ausgangspunkt zurück zu kehren.
Wir führten unsere Rundfahrt fort und kamen über schmale Pisten durch einige einfache und kleine Mayadörfer, wo die Menschen noch heute sehr bescheiden und abgeschieden leben. Die Strecke führte zudem an einigen weiteren Seen vorbei, welche ganz unterschiedliche Farben aufwiesen, von trübem Grün bis hin zu kristallklarem Blau.
Nach knapp zwei Stunden Fahrt erreichten wir El Chiflon. Da dieser Ort auf nur knapp 600müM lag, war die Temperatur wieder bis auf 35°Cgestiegen. Trotzdem wanderten wir dem türkisblauen Fluss entlang bergwärts und kamen dabei immer wieder an herrlichen Badeseen und Wasserfällen vorbei. Wir verzichteten jedoch darauf, bis ganz nach oben zu laufen, denn der obere Teil des Weges lag in der prallen Sonne. Wir begnügten uns damit, bis zum Fuss des höchsten und eindrücklichsten der Wasserfälle zu gehen. Auf dem Rückweg genossen wir die verdiente Abkühlung im erstaunlich kühlen Wasser des Flusses. Eigentlich hatten wir geplant, hier zu übernachten, aber als wir erfuhren, dass wir mit dem Fahrzeug auf dem Parkplatz stehen sollten – der wunderschöne Campingplatz war nur für Zelte eingerichtet – beschlossen wir, ins zwei Stunden entfernte und in kühlerer Höhe gelegene San Cristobal de las Casas zu fahren.
Auf der Weiterfahrt, bei Las Roses erwischte uns der Ausläufer eines Gewitters. Einige Kilometer wurden wir von Blitz und Donner und vor allem auch starken Schauern begleitet. Die Temperatur sank innert Minuten von 35 auf 21 °C. In den langgezogenen Ortschaften an der Strecke kamen wir nur mühsam vorwärts. Einerseits war viel Verkehr auf den Strassen und andererseits bremsten uns vor allem wieder unzählige Topes. Schliesslich erreichten wir unser Ziel trotz allem noch vor Sonnenuntergang.
Nach der langen Zeit im zunehmend heissfeuchten Tiefland waren wir froh, wieder einmal ein paar Tage bei angenehmen Temperaturen zu verbringen. Da wir beim ersten Besuch der Stadt bewusst einige Sehenswürdigkeiten ausgelassen hatten, nahmen wir uns nun die Zeit, dies nachzuholen. Ausserdem wollten wir in der Stadt selber einigen Besorgungen machen und vor allem den lokalen Markt besuchen. Dass nun langsam aber sicher die Regenzeit einsetzte, zeigte sich daran, dass es am Nachmittag jeweils zunehmend gewitterhaft wurde und wir von Wolkenbrüchen nicht verschont blieben. Die Kopfsteinpflasterstrassen des Stadtzentrums verwandelten sich dann innert Minuten in reissende Bäche, kanalisiert durch die hohen Bordsteinränder.
Vom Ausflug in die zwei bekanntesten Indiodörfer, Chamula und Zinacantan, hatten wir uns aufgrund der Ausführungen in den Reiseführern etwas mehr versprochen. Zwar sahen wir einige in traditionelle Trachten gekleidete Indigene, aber im Gegensatz zu Guatemala hatten wir den Eindruck, dass hier viele Traditionen vor allem für die Touristen aufrechterhalten wurden. Ganz speziell und eindrücklich war jedoch sicher die Kathedrale in Chamula. Sie wies Elemente sowohl der christlichen als auch der ursprünglichen indigenen Religion auf. Unzählige Heiligenstatuen schmückten den Raum, welcher von tausenden Kerzen beleuchtet war. Der Boden war über und über mit Föhrennadeln bedeckt, die einen wunderbaren Duft verströmten. Aus Rücksicht auf die Gläubigen war das Fotografieren in der Kirche verboten.
Nach den erfrischenden Tagen auf über 2000müM tauchten wir wieder ab in die heisseren Gegenden des Südens. Wir legten einen Zwischenhalt bei der Cima de las Cotorras ein. Dabei handelt es sich um einen riesigen Krater oder korrekt bezeichnet um ein Senkloch mit 150m Durchmesser und 80m Tiefe. An den senkrechten Wänden bestand die Möglichkeit, sich auf den mit dichtem Grün bewachsenen Grund abseilen zu lassen. Das spezielle an diesem Ort waren jedoch die riesigen Scharen grüner Papageien, welche den Krater bewohnten und die sich im Morgengrauen kreischend in die Höhe schraubten, um in der Umgebung nach Nahrung zu suchen. Wir standen bei Sonnenaufgang auf und begaben uns zum Rand des Loches. Jetzt im Sommer war die Betriebsamkeit nicht allzu gross. Zwar flogen die Vögel den ganzen Tag ein und aus, die grossen Schwärme wie sie im Frühling zu sehen sind, blieben jedoch aus. Für uns hatte sich der Abstecher aber trotzdem gelohnt, denn auch landschaftlich war die Gegend sehr reizvoll und der Campingplatz direkt am Krater war sehr schön und angenehm.
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