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Die Wetterprognose war noch einmal vielversprechend. Warme, aber nicht heisse Temperaturen und kein Regen in Sicht. Natürlich waren die Morgentemperaturen bereits recht kühl, aber tagsüber umso angenehmer.
Ueli wollte noch einmal ein paar Hochpunkte für den Pässefahren-Wettbewerb einheimsen, aber vor allem die herrlichen Schweizer Pässe geniessen. Wieder war Dave mit von der Partie.
In den drei Tagen legten wir etwa 1100 km zurück und überwanden 21’000 Höhenmeter. 17 Pässe kamen zusammen, plus ein paar kleine Hügel in der Ostschweiz.
Ich fuhr erst mal nach Windisch, um Dave abzuholen und konnte schon mal fühlen, dass der Herbst mit seinen kühlen Morgen Einzug gehalten hatte. Da die geplante Tagesetappe über 450 km lang war, nutzten wir bis ans Ende der Zürichsees die Autobahn. Von dort aus führte die Route durch die Hügel der Ostschweiz wo auf kleinen Nebenstrassen ein paar Hochpunkte anzufahren waren. Auf der Schwägalp machten wir einen Kaffeehalt.
Danach ging es durch das Toggenburg bevor wir ins Rheintal hinunterfuhren. Anstatt dem Haupttal zu folgen, überquerten wir den kleinen Pass Luzisteig. Dafür mussten wir zuvor einen Abstecher nach Lichtenstein machen, um dann kurz nach der Grenze zur Schweiz die Passhöher zu erreichen. Auf Landstrassen führte die Strecke nun nach Landquart und von dort durch das Prättigau nach Davos. Endlich waren wir in den Alpen angekommen und die Achterbahn über die bekannten Bündner Pässe begann.
Als Erstes war die Flüela auf dem Programm. Im Unterengadin angekommen, ging es nur einige Kilometer talaufwärts, bevor wir in Zernez zum Ofenpass abbogen. Unser geplantes Etappenziel war Livigno in Italien. Der kürzeste Weg hätte durch den Tunnel in nicht mal einer Stunde ans Ziel geführt, aber dieser war wegen Bauarbeiten gesperrt. Zudem war auch der Umbrail Pass wegen Steinschlaggefahr ebenfalls nicht passierbar. Das bedeutete für uns, dass wir erst mal ins Val Müstair hinunter und danach über das Stilfserjoch, Bormio und den Passo de Foscagno fahren mussten. So kamen fast 100 km dazu, aber das auf herrlichsten Passstrassen und auch nicht überraschend. In Santa Maria machten wir eine späte Mittagspause und genossen die feine Bündner Nusstorte beim dafür bekannten Meier Beck. Das Stilfserjoch mit seinen 48 Spitzkehren ist eines der Highlights für jeden Tourenfahrer. Zum Glück hatte es kaum Verkehr, sodass wir die Fahrt geniessen konnten. Kurz nach der Passhöhe liegt die Abzweigung zum Umbrailpass. Dieser ist ebenfalls ein Punkt des Pässefahren-Wettbewerbs und wir konnten ihn dank dem «Umweg» doch noch, halt "von hinten" abhaken, denn bis zur Schweizer Grenze war die Strasse offen. Hinunter nach Bormio kamen noch einmal ein paar Dutzend Spitzkehren dazu. Nun, musste nur noch der Passo de Foscagno bezwungen werden und wir waren am Ziel. Auch wenn die Etappe damit auf über 450 km angewachsen war, und wir an Ende doch ziemlich geschafft waren, haben wir die Strecke voll genossen. Über neun Stunden waren wir im Sattel gesessen und kein Wunder hatte sich das Sitzleder immer häufiger bemerkbar gemacht. Bevor wir die Motorräder parkierten, füllten wir die Tanks noch mit günstigem Treibstoff, denn Livigno ist ein Zollfreigebiet, sodass Treibstoff, Alkohol und Raucherwaren speziell günstig zu kaufen sind.
Wir checkten ins Hotel Piccolo Mondo ein und erfrischten uns erst mal. Danach schlenderten wir durch den langgezogenen Ort und genossen in einer gemütlichen Bar einen ausgiebigen Apéro. Auch beim Nachtessen in einem nahen Restaurant wurden wir nicht enttäuscht.
Das gewählte Hotel Piccolo Mondo ist übrigens sehr zu empfehlen. Die Zimmerpreise sind in der Sommersaison günstig, das Personal zuvorkommend und freundlich und das Frühstück etwas vom Besten, das wir je bekommen haben.
Über Nacht war das Thermometer unter null gefallen und die Sättel der Motorräder zeigten sich mit Raureif bedeckt. Sobald aber die Sonne den Talgrund erreichte, wurde es angenehmer. Über die Forcola de Livigno erreichten wir wieder die Schweiz und kurz darauf standen wir auf dem Bernina Pass (2235 müM) und das bei erstaunlichen 15 °C. In Samedan gelangten wir auf die Hauptstrasse durch das Engadin. Dieser folgten wir aber nur ein paar Kilometer bis La Punt und fuhren von dort zum Albula Pass hoch. Dieser ist, aus meiner Sicht, für Motorradfahrer einer der schönsten Pässe der Schweiz, und zwar landschaftlich wie auch fahrerisch, ganz einfach weil es noch nicht übermässig ausgebaut ist. Schon bevor wir Tiefencastel erreichten, bog unsere Route nach Süden zum Julier Pass ab. Vorbei am Marmorera See, wer weiss denn, dass sich am Grund des Stausees ein Ort, verbirgt, erreichten wir einmal mehr eine der vielen Passhöhen. Die Abfahrt zurück ins Oberengadin war kurz, liegt doch auch die Talsohle auf über 1800 m. Die Strasse führte entlang dem Silvaplaner- und dann dem Silsersee entlang zum Maloja Pass. Dieser hat auf seiner Nordseite keinen Aufstieg, sondern er senkt sich vom Talboden des Engadins direkt hinunter Richtung Chiavenna auf nur noch 800 müM und bereits wieder in Italien gelegen. Wir stellten unsere Motorräder am Rande der Altstadt ab, und spazierten ins historische Zentrum des Ortes. Dort gönnten wir uns ein Panini in einem der vielen Restaurants in den engen Gassen.
Gestärkt nahmen wir den nächsten Pass, den Splügen, unter die Räder. Auch der Splügen Pass gehört zu den wenig ausgebauten Bergstrassen, mit vielen Kehren und Tunneln auf der italienischen Seite. Die Schweizer Seite zeigt ein ganz anderes Bild. Durch die offene, baumlose Landschaft windet sich die hier etwas breitere Strasse hinunter zum Ort Splügen, welches nach wenigen Kilometern erreicht wird. Wir blieben auf der Landstrasse, welche der Autobahn meist folgt. Und bald stieg die nun schmale Passstrasse zum San Bernadino an. Etwas ausserhalb des Dorfes San Bernadino erreichten wir das Tagesziel, das am Lagh de Pian Doss gelegene Hotel Lido San Bernadino. Wir hatten nach der langen Etappe des Vortages heute eine kürzere Strecke gewählt und so kamen wir recht früh ans Ziel. Wir erhielten ein Appartement mit Seeblick und Balkon zugewiesen. Nach einem ersten Bier machten wir einen Spaziergang um den See und genossen die herrliche Stille und die Aussicht in die Berge. Da wir nicht noch einmal auf die Motorräder steigen wollten, nahmen wir das Nachtessen im Hotel ein.
Nach einem typisch schweizerischen Minifrühstück starteten wir erneut bei kühlen Temperaturen. Kein Wunder, hatten wir doch wieder auf 1600 müM genächtigt. Da Dave um etwa 16 Uhr zu Hause sein wollte, mussten wir die heutige Etappe etwas flexibel gestalten, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. Wir fuhren bis fast nach Bellinzona auf der Landstrasse, wechselten dann aber bis Biasca auf die Autobahn, um die vielen Ortsdurchfahrten in der Riviera vermeiden zu können. Bei Faido wollten wir noch zwei Hochpunkte holen und bogen deshalb nach Mairengo ab. Mein GPS hatte wieder eine interessante Abkürzung für uns bereit, denn wir landeten tatsächlich auf einer schmalen, steilen Schotterpiste. Aber nach ein paar hundert Meter trafen wir dann doch noch auf die offizielle und geteerte Zufahrtstrasse. Bevor wir wieder in Tal hinunterfuhren, schraubten wir uns auf einer schmalen Rumpelstrecke bis nach Prodör hoch und schossen dort das verlangte Beweisfoto.
Zurück im Tal folgten wir der Leventina bis Airolo, von wo die Strasse zum Nufenen Pass startet. Am Anfang folgt die Strecke dem Tal und steigt dann aber schnell an und erreicht den Nufenen Pass nach wenigen Kilometern. Mit 2478 m ist es der höchste komplett in der Schweiz verlaufende Strassenpass. Wir erreichten bei Ulrichen das Rhonetal und machten uns daran, erst nach Gletsch und von dort zum Grimsel Pass hochzufahren. Von dort geniesst man die Aussicht auf vergletscherte Berggipfel und die graugrün schimmernden Stauseen des Kraftwerksystems am Grimsel. Nach Innertkirchen erwartete uns das nächste Highlight, der Susten Pass. Auch dieser ist eine superschöne Motorradstrecke, welche richtig Spass macht, wenn es denn wenig Verkehr hat. Da wir an einem Wochentag und erst noch spät in der Saison unterwegs waren, hatten wir kein Problem.
In Wassen blieben wir noch bis Amsteg auf der Landstrasse, wechselten dann für ein paar Kilometer auf die Autobahn. Auf der Axenstrasse, das war früher eine abenteuerlich enge Strasse, heute verläuft die Strasse meist in Tunnel, fuhren wir bis Brunnen und blieben dann auf der Autobahn, denn die Zeit lief uns langsam davon. Bei Rotkreuz verliessen wir die Autobahn aber wieder und folgten dem Reusstal auf der Landstrasse. Aber es war wie immer im dichtbesiedelten Teil der Schweiz kein wirkliches Vergnügen, denn man hoppelt von Dorf zu Dorf und die liegen nie weit auseinander.
Kurz vor Brugg verabschiedete ich mich von Dave, denn er war nun schon fast zu Hause, während ich noch durchs Fricktal nach Hause fahren musste.
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