Durch Zoomen der Karte kann man mehr Details der Route erkennen


Finnland

Die am Vortag gebuchte Fähre startete bereits um halb acht Uhr morgens und wir mussten eine Stunde davor im Hafen eintreffen. Das hiess, Wecker stellen und Zeit für ein schnelles Frühstück. Durch mehrere Baustellen im Hafengebiet war die Zufahrt etwas komplizierter als üblich, erwies sich jedoch als unproblematisch, solange man nicht dem GPS folgte, sondern den Wegweisern. Wir zeigten an der Schranke unsere IDs und wurden in die Kolonne 6 eingereiht, wo wir ohne Anhalten direkt aufs Schiff fuhren und sogleich in die Poleposition eingewiesen wurden. 

Die Überfahrt dauerte nur etwas mehr als zwei Stunden, so dass wir noch vor zehn Uhr das finnische Festland erreichten. Vom Hafen aus führte der Weg mehr oder weniger durch das Stadtzentrum von Helsinki. Entsprechend harzig kamen wir vorwärts. Alle paar Meter stand eine Ampel und diese schalteten meist auf rot für uns. Als Erstes steuerten wir eine Wäscherei in einem Einkaufszentrum an. Mit den modernen und schnellen Maschinen hatten wir unsere Wäsche innert 2 Stunden erledigt. Gleichzeitig konnten wir unsere Einkäufe am selben Ort tätigen. Die Lebensmittelpreise waren bis auf wenige Ausnahmen ähnlich wie in der Schweiz, ausserdem war das Angebot vergleichbar gut. Im Stadtcamping, etwas ausserhalb des Zentrums, fanden wir schnell einen passenden Platz. Da dieser jedoch keinen Schatten bot, mussten wir unsere Markise aufbauen, denn an der Sonne war es uns definitiv zu heiss! Auf einem Nachbarplatz hatten sich Stefan und Rebekka einquartiert. Wie sich herausstellte, teilen wir in der Schweiz mit Hans-Ruedi und Ruth Möri enge Freunde, was einmal mehr bewies, wie klein die Welt ist!

Die Besichtigung von Helsinki hatten wir auf den folgenden Tag geplant und dazu, wie schon in anderen Städten, eine «Freetour» gebucht. Das Auto stellten wir gratis am Bahnhof direkt beim Campingplatz ab und fuhren, ausgerüstet mit einer Tageskarte, mit der Metro ins Zentrum. Wir waren früh dran und schauten uns deshalb bereits im Gebiet rund um den Hafen um. Danach trafen wir unseren «Freetour» Guide Matti am Alexander Denkmal. Jeder aus der bunt gemischten Gruppe stellte sich kurz vor,  dann übernahm Matti das Zepter - und er redete und redete und redete..... Über fast alles erzählte er uns pausenlos, die Sehenswürdigkeiten Helsinkis kamen dabei nur in Nebensätzen vor. Wir standen über eine Viertelstunde am selben Ort und er quasselte praktisch ohne Unterbruch und rasend schnell. Das war nicht was wir erwarteten, deshalb  beschlossen wir, uns bei der erstbesten Gelegenheit «französisch zu verabschieden». Als er endlich alle in die Kathedrale gelotst hatte, blieben wir etwas zurück und schlichen uns davon. Nicht sehr elegant, aber wir wollten uns nicht vor all den anderen Gästen erklären, für sie mochte es ja passen. So fiel unsere Stadtbesichtigung eben etwas kürzer und ohne viel Hintergrundinformationen aus. 

Nachdem wir uns in der Innenstadt umgesehen hatten, bestiegen wir die Fähre, um auf die bekannte, direkt vor Helsinki liegende Insel Suomenlinna zu gelangen. Innerhalb der auf mehrere kleine Inseln verteilten Festungsanlagen lebt eine bunt zusammengewürfelte Community, welche vor allem Restaurants, Souvenirläden und Galerien betreiben. Auch hier in Finnland war offenbar die Zeit der Schulreisen. Hunderte von Schülern aller Altersklassen bevölkerten die kleinen Inseln. Wir liessen uns vom Gewusel nicht aus der Ruhe bringen und schlenderten kreuz und quer über das Eiland. Neben den touristischen Angeboten gaben einige kleinere Museen Einblick in die Entstehung und Bedeutung dieser Festungsinsel. Überrascht waren wir vor allem über ein recht antikes, aber noch in Betrieb stehendes Trockendock. Tatsächlich lagen einige mittelgrosse Schiffe vor Ort, an welchen gearbeitete wurde. Auch der spezielle Kirchturm fiel uns ins Auge, an dessen Spitze ein Leuchtfeuer eingebaut ist, so dass die Kirche gleichzeitig als Leuchtturm dient. Ob dieser Schiffe warnen oder vielleicht den Gläubigen den richtigen Weg weisen sollte, konnten wir nicht herausfinden.

Beim Auto zurück, liessen wir die Agglomeration hinter uns und fanden an einer Sackgasse im Wald einen netten Übernachtungsplatz. Zwar kamen immer wieder Radfahrer vorbei und ab und zu auch ein Auto, aber bald waren wir alleine dort draussen. Später fielen ein paar Regentropfen aus dunklen Gewitterwolken, der Spuk war jedoch vorbei, bevor der Boden auch nur feucht wurde.

Weitere 40 km östlich von Helsinki liegt Porvoo. Das Städtchen gilt als eines der schönsten Finnlands, deshalb wollten wir uns das natürlich anschauen. Direkt am Fluss liegt eine Reihe rot gestrichener, ähnlicher Häuser, welche ehemals als Salzspeicher dienten. Die schmucken, gepflegt wirkenden Gebäude sowie das direkt dahinter liegende Quartier mit farbenfrohen Holzhäusern bieten malerische Fotosujets. Die überschaubare Kleinstadt war rasch erkundet und wirkte am frühen Morgen noch etwas verschlafen.

 

Über Schnellstrassen umfuhren wir Helsinki auf unserem Weg nach Westen. Unser nächstes Ziel war der Nuuksio Nationalpark. Dort wollten wir erste Eindrücke der finnischen Natur sammeln. Auf zwei kurzen Wanderungen lernten wir tatsächlich einen Teil der typischen Landschaften kennen. Braun gefärbte Moorseen, lichte Föhrenwälder und immer wieder Sumpfgebiete prägten das Bild. Vor allem bekannt ist der Nationalpark für die nur noch selten vorkommenden Flughörnchen, eine Eichhörnchenart, die von Baum zu Baum fliegen kann. Leider bekamen wir keines der hübschen Tierchen zu Gesicht.

Nach diesem Abstecher setzten wir unsere Fahrt Richtung Südküste fort. Auch hier wählten wir, für uns eher unüblich, Schnellstrassen und sogar ein Stück Autobahn. Wir hatten schnell herausgefunden, dass durch die Ortschaften zu fahren ziemlich mühsam war. Einerseits sind die erlaubten Höchstgeschwindigkeiten, selbst in kaum besiedelten Gebieten, sehr tief und andererseits wird alle paar hundert Meter ein anderes Tempo signalisiert . Dazu stehen in kurzen Abständen immer wieder  Blitzkästen, sodass man höllisch aufpassen muss, nicht zu schnell unterwegs zu sein. In grösseren Ortschaften kommen ausserdem Rotlichter ohne Ende dazu. All das macht das Fahren stressig und zumindest der Fahrer muss hoch konzentriert bleiben und hat kaum Gelegenheit sich die Gegend anzuschauen.

Wir hatten geplant, nochmals an der Südküste des Festlandes zu übernachten. Das Angebot zum Campen war in dieser Gegend jedoch eher mager und wir waren gut vorangekommen, also setzten wir am späten Nachmittag mit der Fähren auf die Insel Rosala über, wo sich der anvisierte Übernachtungsplatz als wahres Bijou herausstellte. In einer schönen Bucht konnten wir uns direkt am Strand, im Schatten des Waldes einrichten. Zum Baden ist der Ort allerdings nicht unbedingt ideal, denn auch nach fünfzig Metern ist das Wasser erst knietief. Dafür gab es allerhand Seevögel zu beobachten. Ausser uns trafen nur noch zwei weitere Autos zum Übernachten ein. Wir hatten uns darauf gefreut, wieder einmal auf dem Feuer zu kochen. Als Ueli jedoch mit einem Bündel Holz zur vorhandenen Grillstelle kam, wurde er vom finnischen Nachbarn darauf hingewiesen, dass es wegen Waldbrandgefahr derzeit verboten sei, Feuer zu machen. Ein Hinweisschild erklärte dies zwar ebenfalls deutlich, als zusätzlicher Hinweis war jedoch auch zu lesen: «ausser in der zur Verfügung gestellten Feuerstelle». Wir liessen uns nicht auf eine Diskussion mit dem Einheimischen ein, schliesslich waren wir Gast in ihrem Land. Wir änderten einfach unseren Menüplan. Am nächsten Morgen fuhren wir beim angepriesenen Wikinger-Zentrum vorbei, mussten aber feststellen, dass dieses erst ab Mittag geöffnet war. Zudem fanden wir anhand der Beschreibung heraus, dass es sich weniger um ein Freiluftmuseum, als eher um ein Eventlokal handelte. Eine kurze Rundfahrt über die Insel zeigte, dass diese vor allem mit Ferienhäusern bebaut war. Nachdem es nichts weiteres zu entdecken gab, fuhren wir mit der nächsten Fähre zurück aufs Festland.

Ein gutes Stück mussten wir auf derselben Strecke zurücklegen, wie wir gekommen waren, bevor wir Richtung Turku abbiegen konnten.. In der ältesten Stadt Finnlands und ehemaliger Hauptstadt des Landes angekommen, parkten wir das Auto und stellten schnell fest, dass wir relativ weit vom alten Zentrum entfernt gelandet waren. So würden heute eben ein paar hundert Schritte mehr auf den Zähler kommen. Auf dem Weg kamen wir dafür zufällig an der schönen Markthalle vorbei, für uns immer ein interessanter Ort zum Erkunden. Wir erfreuten uns an den reichhaltigen Auslagen und waren erstaunt über das vielfältige, internationale Gastronomieangebot. Die kleine, malerische Altstadt von Turku mit dem Dom und einigen historischen Gebäuden ist sehr sehenswert. Die Lage am kaffeebraunen Aura Fluss und die attraktiven alten Alleen laden zu ausgedehnten Spaziergängen ein.

Auf dem Weg nach Rauma wählten wir eine Route durch die Inselgruppe nordwestlich von Turku. Bis auf die Höhe von Uusikaupunki verlief die Strasse allerdings mehrheitlich auf dem Festland. Danach jedoch fuhren wir tatsächlich von Insel zu Insel und hatten immer wieder Ausblick auf die vielen, weit verstreuten Eilande. An der Ostküste einer der Inseln wählten wir unseren Übernachtungsplatz. Auf den glatten Felsen am Ufer genossen wir im Schatten einen Apéro. Bald wurden aber die Kumuluswolken immer dunkler und wir beschlossen, frühzeitig zu kochen. Bereits während dem Essen fing es an zu tropfen und wir mussten fluchtartig ins Auto umziehen. Kaum drinnen, prasselte ein Platzregen nieder. Auch diesmal handelte es sich nur um ein kurzes Gewitter und gegen acht Uhr zeigten sich wieder erste blaue Löcher am Himmel.

 

Rauma ist bekannt für seine schöne historische Altstadt. Die ausserordentlich gut erhaltenen Quartiere mit zum Teil reich verzierten Holzhäusern sind seit 1991 UNESCO Weltkulturerbe. Die Stadt wurde im 14. Jahrhundert gegründet und ist damit die drittälteste in Finnland. Im Gegensatz zu  vielen anderen Altstädten mit Holzbauten blieb Rauma seit dem 17. Jh. vor grossen Bränden verschont, weshalb bis heute über 600 historische Häuser erhalten geblieben sind. Die meisten der verwinkelten Gassen wirkten verlassen und ruhig, dafür herrschte auf dem Platz vor dem alten Rathaus lebhaftes Treiben. Die Menschen genossen die warme Frühlingssonne bei Kaffee und Kuchen.

Da die Landschaft auf dem Weg ins Landesinnere wenig Abwechslung bietet, legten wir die Strecke auf Schnellstrassen zurück. Bei Tyrvään konnten wir ein weiteres Beispiel der Kirchenarchitektur dieser Region bewundern, leider einmal mehr nur von aussen. Die aus Steinen erbaute St. Olav Kirche aus dem 15. Jahrhundert besitzt keinen Turm. Die Schindeln des aufwändig konstruierten Daches sind  mit Asphalt imprägniert, welcher sich bei den hohen Temperaturen verflüssigte und über die Regenrinnen in Eimern aufgefangen werden musste.
Kurz nach diesem Besuch setzten wir unsere Fahrt auf dem TET, dem Trans European Trail, fort. Diese Routen sind eigentlich für Offroadmotorräder gedacht, da aber in Finnland generell nur auf befestigten Strassen gefahren werden darf, sind diese hier auch für Geländewagen tauglich. Anstatt weiter auf breiten, weitgehend geraden Teerstrassen zu reisen, verabschiedeten wir uns also in die Wälder und Landwirtschaftszonen. Die Pisten waren teilweise in besserem Zustand als manche asphaltierten Strassen, andernteils trafen wir jedoch auch auf eher schmale, mit losem Schotter befestigte Abschnitte.

 

Nachdem wir gut vorangekommen waren, suchten schon früh einen Übernachtungsplatz. Der erste, den wir in Augenschein nahmen, lag uns zu nahe an einer Strasse und der Bahnlinie. Schliesslich fanden wir aber einmal mehr einen schönen Platz, direkt an einem See gelegen. Neben einer Bootsrampe gab es eine alte Schiffslandestelle, welche uns einen sonnigen Platz garantierte. Allerdings waren auch heute wieder Gewitter im Anmarsch, so dass wir  für das Nachtessen erneut ins Auto flüchten mussten. 

Am folgenden Morgen hatten sich die Wolken wieder verzogen und die Sonne liess den See in gleissendem Licht erstrahlen. Nach etwa einer Stunde Fahrt Richtung Norden planten wir eine Wanderung im Seitsemisen Nationalpark. Wir parkten den Land Cruiser bei Kovero, von wo aus mehrere Wanderwege starten. Direkt beim Parkplatz befindet sich ein traditioneller Bauernhof, welcher mit allen Nebengebäuden stilecht restauriere wurde und einen Eindruck vermittelt, wie hier anfangs 20. Jahrhundert Landwirtschaft betrieben wurde. Der Weg führte durch schönen Mischwald, in sumpfigen Zonen über Bretterstege. Wir hatten den Eindruck, dass die Wegplaner jeden kleinen Hügel in dieser sonst flachen Gegend in die Route aufgenommen hatten. Trotz allem kamen jedoch auf der ganzen Länge nicht einmal 20 Höhenmeter zusammen. Nach gut eineinhalb Stunden waren wir zurück und setzten unsere Fahrt auf Waldstrassen durch den Park fort. So gelangten wir zum Helvetinjärvi Nationalpark. Da dort kaum Rundwanderwege zur Verfügung stehen, sondern meist lange, teils sogar mehrtägige Wanderrouten durch die Landschaft führen, beschränkten uns auf die Fahrt im Auto durch den Nationalpark. 

Das Wetter wurde nun zunehmend gewitterhaft und immer wieder erwischte uns ein Platzregen. So erreichten wir auch unseren heutigen Schlafplatz bei strömendem Regen. Der ausgewählte Ort liegt auf einer Insel mitten in einem grossen See. Das Südufer dieser Insel ist gesäumt von einem langen Sandstrand , den wir als Standplatz auswählten. Es dauerte auch diesmal nur kurze Zeit bis die Wolken sich verzogen und die Sonne  wieder vom blauen Himmel strahlte. Davon angelockt, konnten wir mehrere Leute beobachten, die es sich am Strand gemütlich machten und im See badeten. Wir hatten eine weitere sehr ruhige Nacht vor uns.

Einen grossen Teil unserer nächsten Tagesetappe legten wir auf dem TET zurück. Wir kamen auch heute gut voran, trafen wir doch gerade mal auf zwei Autos in den Wäldern und Feldern. Nur kurze Abschnitte verliefen auf Teerstrassen, auch diese aber meist auf Nebenrouten. Wir waren in einer Gegend unterwegs, die kaum von Touristen besucht wird. Es war deshalb keine Überraschung, dass wir weder in der Park4Night noch in der iOverlander App viele Optionen zum Übernachten fanden. Schliesslich verbrachten wir die Nacht wieder einmal in einem Campingplatz, welcher für diese Gegend überraschend gut ausgestattet war. Schon bald, nachdem wir uns eingerichtet hatten, mussten wir feststellen, dass die Jugend der nahen Ortschaft den Campingplatz gerne nutzt, um eine wenig mit ihren Mopeds und Motorrädern herumzukurven. Zudem waren von der nahen Hauptstrasse die lärmigen LKWs gut zu hören. Nach mehreren Nächten auf wunderbar ruhigen Plätzen, taten wir uns daher schwer, erholsamen Schlaf zu finden.

In Oulu wollte Ueli das in Helsinki bestellte Schutzglas für seine Handykamera einbauen lassen. Wie sich herausstellte, konnte die versprochene Lieferfrist von 1-2 Wochen nicht eingehalten werden. Das Ersatzteil war jedenfalls noch nicht eingetroffen und wir erhielten auch keine klare Auskunft wann es so weit sei. Wir kauften Lebensmittel ein und liessen Oulu hinter uns, um an der Küste einmal mehr in Ruhe zu nächtigen. 

Wir folgten der Küste und überquerten die Grenze zu Schweden. Dort tankten wir voll, denn in Schweden ist der Treibstoff merklich günstiger als in Finnland. Einige Kilometer dem Grenzfluss Tornionjoki nordwärts folgend erreichten wir die mächtigen Stromschnellen von Kukkola. Auf der schwedischen Seite hat sich dort im Laufe der Jahre eine richtige Touristenhochburg entwickelt, sodass die Stromschnellen schon beinahe zur Nebensache wurden. Nebst Hotel, Camping und den üblichen Hütten, findet sich ein weit herum bekanntes Restaurant und eine kleine Ansammlung alter, schön restaurierter Häuser. Eines davon beherbergt das lokale Fischereimuseum. Die Stromschnellen waren offenbar bestens geeignet, um an die von der starken Strömung ermüdeten Felchen zu gelangen. Mit raffinierten Fallen, quer über den Fluss gebaut, oder einfach mit primitiven Käschern konnten hier die zur Gattung der Lachse gehörenden Fische in grossen Mengen gefangen werden. Daneben konnten wir eine wasserbetriebene Mühle und eine Sägerei besichtigen.

Dem fruchtbaren Flusstal weiter folgend erreichten wir Övertornea. Im Schnapsladen füllten wir unsere Alkoholvorräte und im Supermarkt gegenüber unsere Lebensmittel auf. Danach checkten wir im örtlichen Camping, der Norrsken Lodge, ein, denn nach einigen Tagen im Busch, war wieder einmal ein Service vonnöten. Die Einrichtung wurde in der Schweiz bekannt, da die Auswanderer in der TV Sendung "Auf und davon" porträtiert wurden. Es ist also nicht verwunderlich, dass hier viele Schweizer Touristen haltmachen. Max, der Schweizer Besitzer, hatte uns bereits bei der Begrüssung davor gewarnt, dass die Mücken gerade Hochsaison haben. Solange der Wind wehte, hatten wir kein Problem damit, als sich dieser jedoch legte, gewannen die Biester überhand. 
Am Abend machten wir einen kurzen Spaziergang ins Dorf. Ausser der Kirche, welche mit ihrer speziellen Architektur hervorsticht, gab es allerdings nicht viel zu sehen. 

Eine halbe Stunde weiter nördlich erreichten wir den Polarkreis. Ein Monument macht auf diesen magischen Breitengrad aufmerksam. Rund herum angeordnet, stehen Fahnenmasten aller Nationen, welche vom nördlichen Polarkreis tangiert werden. Einer der Fahnenmaste, jener von Russland, war aus gegebenem Anlass leer.
Einen weiteren Zwischenhalt legten wir an einer weiteren Stromschnelle ein. Das bräunliche Wasser toste in einem Nebenarm des Flusses über eine Geländestufe. Auch hier scheint das Gewässer grossen Fischreichtum aufzuweisen, wie eine unmittelbar neben dem Wasser eingerichtete Fischerlodge vermuten lässt.
Bevor wir wieder über die Grenze nach Finnland wechselten, füllten wir in Pajala noch einmal Diesel auf und wunderten uns dabei, warum das Zentrum des Ortes aus allen Richtungen abgesperrt war. Wir machten uns daher zu Fuss zur laut Reiseführer hier im Dorf befindlichen weltweit grössten Sonnenuhr auf. Überall waren Vorbereitungen für einen Event im Gange. Auf Nachfrage erklärten uns die Leute, dass das schwedische Königspaar am Nachmittag zu einem Besuch erwartet wurde. Wir waren erstaunt, wie wenig Pomp und Gloria aufgewendet wurde, um die prominenten Gäste zu empfangen. Ein paar Soldaten und zwei, drei Polizeiautos schienen zu reichen,  um die Sicherheit  zu gewährleisten. Man stelle sich vor, was hier los gewesen, wenn Herr Biden sich die Ehre gegeben hätte?

Kaum hatten wir die Grenze nach Finnland überquert, sahen wir die ersten Rentiere im Wald äsen, wir waren definitiv in Lappland angekommen. Nur wenige Kilometer weiter entdeckte Myrta sogar einen Elch im Wald. Leider verzog dieser sich aber schleunigst, als wir zurücksetzten. Hinter Kolari bogen wir auf eine Nebenstrasse und später auf Waldwege ab. Grund war die sogenannte "Hölle der Lappen". Bevor wir aber diesen mystischen See mitten in der Wildnis erreichten, hielten wir kurz an, um einen heiligen Stein der Samen zu besuchen. Der grosse, mitten im Wald liegende Felsbrocken, wird seit vielen Hundert Jahren von den Samen als religiöse Stätte aufgesucht und anhand verschiedener Gegenstände wurde offensichtlich, dass dieser noch heute als Opferstelle genutzt wird. Unterdessen hatte das Wetter umgeschlagen und gewittrige Niederschläge gingen nieder. Sie hielten aber zum Glück nicht lange an, so dass wir trotzdem den als "Hölle" bezeichneten See besuchen konnten. Das dunkle Gewässer, auf drei Seiten von hohen Felswänden begrenzt, ist eine geologische Besonderheit. Es soll etwa 90 m tief sein und auf 40 m Tiefe einen Zwischenboden aus natürlichem Asphalt aufweisen. Durch einige Löcher in diesem Asphaltdeckel konnte die maximale Tiefe ausgelotet werden.

 

Unweit davon richteten wir uns an einem weiteren kleinen See ein. Ueli wollte sich hier das erste Mal als Fischer versuchen. Tatsächlich dauerte es nur wenige Minuten, bis er einen Fisch am Haken hatte. Er war jedoch so überrascht, dass nach so kurzer Zeit ein Ruck durch die Rute ging, dass er zu wenig resolut an der Schnur riss. Die Folge war, dass er den Fisch zwar an Land ziehen, dieser sich aber vom Haken lösen konnte. Da es sich eh nur um einen 20 cm Barsch handelte, wurde ihm die Freiheit geschenkt. Später war noch ein zweiter Erfolg zu verzeichnen, aber auch dieser erwies sich als zu klein und durfte zurück in sein Element.

Wir waren nun unweit vom Pallas-Yllästunturin Nationalpark angelangt. Wir fuhren zu einer alten Mühle, um diese zu besichtigen und danach von dort aus zu einer Wanderung zu starten. Es stellte sich leider heraus, dass die Mühle noch nicht zugänglich war, da offenbar die Saison noch gar nicht eröffnet war.
Wir setzten die Fahrt deshalb fort in den nördlichen Teil des Nationalparks und starteten dort beim Hotel Pallas eine kurze Wanderung. Die Landschaft war unterdessen bergiger geworden, die höchsten Gipfel erreichen hier immerhin 800 m. Sogar ein Skigebiet mit zwei Skiliften ist im Winter in Betrieb. Auch wenn uns die Berge nicht wirklich beeindrucken konnten, waren wir froh um die landschaftliche Abwechslung nach den vielen Wäldern und Seen. Der Weg führte uns in ein Tal hinein und bald sahen wir im offenen Gelände einige Rentiere grasen. Der Frühling liess hier noch weitgehend auf sich warten, hie und da lagen gar noch Schneereste.
Wir durchquerten den Park auf Waldstrassen. Am Pallas See spazierten wir zum bekannten roten Strand. Dieser ist mehrere hundert Meter lang und tatsächlich von stark rotbrauner Farbe. Im Sommer ist der Platz offenbar sehr beliebt zum Baden und zum Zelten. Eine Schutzhütte, eine Grillstelle und ein WC wurden eigens dafür errichtet.

Nachdem wir am Morgen noch von recht gutem Wetter profitiert hatten, wurde der Himmel zunehmend dunkler. In Levi, einem der bekanntesten Skigebiete Finnlands, wo auch Weltcupskirennen stattfinden, kauften wir ein, um bald darauf von der Teerstrasse auf eine rumpelige, löchrige Piste zu gelangen. Genau jetzt öffnete der Himmel seine Schleusen. Später, als wir zum Übernachten anhielten, sahen wir, was dies am Heck unseres Campers angerichtet hatte: es war von oben bis unten dick mit Schlamm bespritzt. Jetzt hiess es, sich dem Auto vorsichtig zu nähern, wollten wir nicht selber dreckig werden.

Wir folgten dieser recht einsamen Strecke weiter nach Norden, bald entlang des riesigen Lemmenjoki Nationalparks. Immer wieder regnete es und die Temperatur erreichte noch knapp zweistellige Werte. Wir machten einen Abstecher in den Nationalpark. Als wir in Lemmenjoki ankamen, ging einmal mehr ein Regenschauer nieder. Wir warteten etwa eine halbe Stunde auf dem Parkplatz und tatsächlich erwischten wir für die geplante Wanderung ein trockenes Zeitfenster. Entlang eines Rundweges wurden uns auf Tafeln interessante Informationen zu Flora, Fauna und Geschichte der Region präsentiert. Als wir zum Auto zurück kamen, waren einige finnische Wanderer gerade dabei, ihre riesigen Rucksäcke zu packen, um offenbar für eine längere Tour in die Wildnis einzutauchen. Sie liessen sich vom schlechten Wetter nicht gross beeindrucken.

Wir setzten unsere Fahrt fort und fanden auch diesmal weit abseits der Strasse einen einsamen Platz an einem See. Ueli startete einen weiteren Angelversuch, welcher aber komplett erfolglos blieb. Ob es am Wetter lag, an der Ausrüstung, am See selber oder schlicht an seiner fehlenden Erfahrung??? Da das Wetter weiterhin wechselhaft war und noch einmal kühler wurde, konnten wir vom wunderschönen Stellplatz nicht allzu viel profitieren und verbrachten den Abend im Auto.

Wir waren noch ca. eine halbe Stunde von Inari entfernt. Dort besuchten wir das interessante Samenmuseum. Dieses zeigt sehr eindrücklich die Geschichte und Kultur dieser Volksgruppe. Die Lebensweise der Samen war und ist eng mit der Natur verknüpft, weshalb auch ein grosser Teil der Ausstellung der Tier- und Pflanzenwelt gewidmet ist. In der Aussenanlage sind gegen fünfzig verschiedene Gebäude und Exponate zu sehen. Diese reichen von primitiven Zelten der Nomaden bis hin zu recht komfortablen Holzhäusern und geben eindrücklich Aufschluss über die Lebensumstände des Urvolkes. Auch die Jagdtechniken mit raffinierten Fallen werden gezeigt. Je nach Tierart, wie Schneehühner oder Bären, Lemminge oder Rentiere, stellten die findigen Leute die passende Falle. 

Unweit von Inari stand die älteste Kirche Lapplands auf unserem Plan. Den Besuch muss man sich allerdings erst verdienen, denn das Holzkirchlein befindet sich mitten in der Wildnis, fern ab von Strassen und Dörfern. Der etwa 5 km lange Weg dorthin ist jedoch sehr abwechslungsreich und landschaftlich interessant. Die hübsche Kirche von Pielpajärvi existiert seit 1760, wurde aber zwischenzeitlich ziemlich vernachlässigt und erst 1940 wieder umfassend restauriert. Das Innere des Gotteshauses mit einem bemerkenswerten, kreuzförmigen Grundriss ist sehr schlicht und hell gehalten.

Wir folgten der Strasse Nr. 971 Richtung Kirkenes. Das Wetter hatte sich im Laufe des Tages markant verbessert und als wir gegen Abend unser Camp eingerichtet hatten, konnte Ueli noch einmal seine, auch diesmal erfolglose, Kunst des Fischens üben und wir danach an der Sonne den Apéro geniessen. 

Norwegen

Bevor wir auf unserer Weiterfahrt die norwegische Grenze erreichten, füllten wir einmal mehr unseren Dieseltank auf, da in Norwegen der Sprit nochmals merklich teurer ist. Der Treibstoff müsste so voraussichtlich reichen, bis wir in Schweden wieder günstiger tanken können. Bei dem geringeren Verbrauch in den bis anhin flachen Ländern, sollten uns die 270 Liter gut 2000 km weit bringen.
Wir schauten gleichzeitig im angrenzenden Supermarkt rein und konnten kaum glauben, über welch reichhaltiges Warenangebot der Laden verfügte. Sogar einen echten Appenzeller Käselaib entdeckten wir in der Kühlvitrine. Nachdem wir auch in grösseren Supermärkten schon Mühe hatten, z. Bsp. Sojasauce zu finden, standen hier sage und schreibe fünf Sorten im Regal. Zudem waren die Preise sehr moderat, in Anbetracht der abgeschiedenen Lage erst recht erstaunlich.

 

Von einem Grenzübertritt merkten wir hier herzlich wenig, obwohl wir ja die EU verliessen und uns recht nahe an der russischen Grenze befanden. Was aber sehr bald und sehr eindrücklich änderte, war die Landschaft. Auffällig war unter anderem das Erscheinungsbild der Wälder aufgrund der nun sehr nördlichen Lage. Wir passierten tosende Flüsse und waren von steilen, felsigen Bergen eingerahmt. Den Abstecher nach Kirkenes sparten wir uns, denn laut Reiseführer bietet die Stadt nicht viel. Nur um den östlichsten Teil Norwegens und den Endpunkt der Hurtigrouten zu sehen, wollten wir die zusätzlichen Kilometer nicht fahren. Die Strecke entlang der Barentssee bot sehr viel Abwechslung. Kleine Bergpässe wechselten sich mit Flusstälern, sumpfigen Mooren und tiefen Fjorden ab. Viele Seen waren  teilweise noch eisbedeckt und überall sahen wir kleinere Rentierherden. In Mona Bru überquert eine moderne Hängebrücke den Tana Fluss. Zum Übernachten endeten wir in Ifjord, einem Dorf, welches vor allem aus einer Tankstelle mit Restaurant, einem Campingplatz und Hüttenunterkünften besteht. Der Nachmittag zeigte sich von der sonnigen Seite und war mit 16 Grad recht mild. Erst gegen Abend nahm die Bewölkung wieder zu und bald hing Nebel in den umliegenden Bergen.

Die Wetterprognose für das Nordkap tönte erst für den übernächsten Tag wirklich vorteilhaft, also hatten wir keinen Grund zu früh dort einzutreffen. Wir beschlossen deshalb, einen Abstecher auf die Halbinsel nördlich von unserem derzeitigen Standort zu machen. Bis ganz ans Nordende wollten wir jedoch nicht fahren, denn das wären hin und zurück gegen 250 km geworden. So folgten wir der Westküste durch grünes, fruchtbares Landwirtschaftsgebiet bis die Strasse steil zu einem Plateau anstieg. Obschon wir nur gerade 300 Meter höher waren, erwartete uns eine komplett andere Welt. Es war kaum Vegetation vorhanden, überall lagen grosse Schneefelder und die vielen Seen waren grösstenteils noch zugefroren. Was für ein gewaltiger Wandel auf nur wenigen Kilometern. Die Route senkte sich danach  steil hinunter, wieder ans Meer. Nur ein schmaler Landstreifen verbindet den südlichen mit dem nördlichen Teil der Halbinsel. Wir drehten an dieser Stelle um und fuhren auf demselben Weg zurück nach Ifjord.
Der Strasse Nr. 98 entlang machten wir uns anderntags auf den Weg zum Nordkap. Noch immer lagen über 300 km vor uns. Die Landschaft war nach wie vor eindrücklich und abwechslungsreich. Von einem Rastplatz aus unternahmen wir einen Spaziergang zum Silfar Canyon. Der Börselva Fluss hat sich hier tief in die Felsen gefressen. Vom Rand der Schlucht erblickten wir das kristallklare, smaragdfarbene Wasser, welches durch die Schneeschmelze mit grossem Volumen und viel Getöse ins Tal stürzte. Zurück an der Küste suchten wir uns einen Übernachtungsplatz. Da es kühl und recht windig war, versuchten wir, einen etwas geschützten Platz zu finden. Wir folgten einer schmalen Kiesstrasse bergwärts und wurden in einer Senke, umgeben von interessanten geologischen Formationen, fündig. Myrta machte sich auf die Suchen nach schönen und speziellen Steinen und hatte bald eine nette Sammlung beisammen. Dank dem mitgebrachten Feuerholz konnten wir unsere Steaks sogar auf dem Grill braten. In Anbetracht der kühlen Temperaturen genossen wir das Nachtessen aber trotz trockenem Wetter drinnen.
Bei einem WC-Halt an einer Raststätte, entdeckten wir zufällig einen 4 km langen Naturlehrpfad. Wir nutzten die Gelegenheit, uns etwas Bewegung zu verschaffen. Der Weg führte durch verschiedene Landschafts- und Geologieformen, welche auf Tafeln mit interessanten Details erläutert wurden. Besonders angetan hatten es uns die vielen kleinen Blumen, die in diesem rauen Klima, zwischen den eindrücklichen Steinformationen am steinigen Strand wuchsen.

Vor Olderfjord machten wir einen Abstecher auf die Halbinsel von Trollholmsund und wanderten zu der bekannten Felsformation an der Küste. Eine alte samische Legende erzählt, dass Trolle in den Bergen einen Schatz vergraben wollten, diese jedoch zu spät dran waren und durch die aufgehende Sonne hier zu Stein erstarrten. Tatsächlich sehen die Steinfiguren aus wie eine, inzwischen halbwegs erodierte Gruppe von versteinerten Zwergen. Die Landschaft ist wunderschön. Ein Blick auf die Karte zeigte uns zudem, dass es kein Zufall ist, hier eine praktisch identische Geologie zu finden wie sie an unserem letzten Schlafplatz zu sehen war; die beiden Stellen liegen sich direkt gegenüber am Fjord. Auch hier überraschte uns wieder die reiche Flora. Sogar eine riesige, wunderschöne Hummel wurde von den vielen blühenden Pflanzen angelockt.

 

Wir fuhren weiter und konnten etwa 60 km vor dem Nordkap mit unserem 4x4 Camper einen der wenigen Plätze anfahren, welcher sich weit ausser Sicht- und Hörweite der Hauptstrasse befindet. Dieser liegt zwar sehr windexponiert, angesichts des kalten und wechselhaften Wetters verbrachten wir den Abend aber ohnehin im Auto. Myrta entdeckte auf einem Felsvorsprung, nicht weit von uns entfernt, einen der mächtigen Seeadler, die in dieser Gegend leben. Die eindrücklichen Tiere weisen eine Flügelspannweite von bis 2,75 m auf. Ueli versuchte, sich dem Adler zu nähern, um ein paar Bilder zu schiessen. Kaum wurde er aber entdeckt, flog der grosse Vogel auf, drehte  ein paar Erkundungsrunden über uns und verschwand.  

Bis zum Nordkap blieb noch etwa eine Stunde Fahrzeit. Die Strasse führte in vielen Kurven rauf und runter und passierte einen langen Tunnel unter dem Meer. Landschaftlich wurde es noch einmal karger und unwirtlicher. Um dem zu erwartenden Besucherrummel etwas ausweichen zu können, waren wir früh gestartet. So trafen wir kurz nach neun am nördlichsten Ende Europas ein. Leider bewahrheitete sich die versprochene Wetterprognose nicht wirklich. Immerhin gab es keinen Nebel und der Wind war nur schwach, was schon als positiv bezeichnet werden kann. Die Sonne wollte sich aber nicht zeigen und die Temperatur erreichte kaum 10 °C. Etwa die Hälfte der grossen Parkfläche war von Campern besetzt, die alle mindestens eine Nacht am Nordkap verbringen wollten. Die Übernachtung und der Zutritt zum Nordkap war zu dieser Jahreszeit kostenlos. Nur wer das Museum, den Souvenirshop und das Restaurant besuchen wollte, bezahlte ca. 25 CHF Eintritt. Wir begnügten uns mit einem Spaziergang zur berühmten Weltkugel, knipsten ein paar Fotos und folgten anschliessend ein Stück der 300 m hohen Felsküste. Schön anzusehen war das "Denkmal der Kinder der Welt", gestaltet anhand von Kinderzeichnungen aus allen Kontinenten. Der Mythos, den nördlichsten anfahrbaren Punkt Europas zu erreichen, scheint nach wie vor tausende von Besuchern anzuziehen. Vor allem Wohnmobiltouristen werden magisch davon angelockt. So erstaunt es nicht, dass ein Grossteil des Verkehrs zum und vom Nordkap Camper sind. Während der Hochsaison dürften ganze Karawanen die Strecke in Angriff nehmen. Auch wir wollten natürlich dieses Ziel erreichen und waren damit Teil des ganzen Ansturmes. 
Auf dem Rückweg, welcher bis Oldenfjord für 125 km auf derselben Route erfolgte, besuchten wir Honningsvag, den einzigen grösseren Ort in der Region. Bis wir dort ankamen, kreuzten uns bestimmt gegen zwanzig Reisebusse. Wie sich herausstellte, brachten diese offenbar hunderte von Passagieren eines Kreuzfahrers zum Nordkap. Auch im Ort selber wimmelte es von Schiffsreisenden. Das eigentlich hübsche Städtchen wird immer komplett überlaufen, wenn einer oder gar mehrere der riesigen Dampfer im Hafen liegen. Das Schiff der Hurtigruten, welches eben anlegte, erschien daneben schon beinahe zwergenhaft.

Nachdem wir das Nordkap hinter uns gelassen hatten, klarte das Wetter langsam auf und es wurde zunehmend sonnig. Die Temperaturen blieben jedoch bescheiden, schliesslich waren wir noch immer auf mehr als 70° nördlicher Breite unterwegs, also einiges nördlicher, als wir zum Beispiel in Alaska je gewesen waren.
In der Gegend von Alta richteten wir mitten im Wald ein weiteres Camp ein und genossen, passend zu den kühlen Temperaturen, ein Käsefondue. Kaum hatten wir fertig gegessen, fielen ein paar Tropfen, etwas Ernsthaftes wurde aber nicht daraus.

In Alta, der letzten grösseren Ortschaft, die wir in den nächsten Tagen anfahren würden, kauften wir ein. Ausserhalb des Ortes befindet sich das interessante Alta Museum, welches zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Die hier gefundenen Felsritzungen sind zwischen 2000 und 6500 Jahre alt. Um die Zeichnungen besser sichtbar zu machen, wurden diese mit roter Farbe nachgemalt und die Felsen von Moos und Flechten befreit. Im Museum selber zeigt eine umfassende Ausstellung die Geschichte der Region auf, die Kultur der Samen, das Geschäft mit dem Bergbau, aber auch Handwerkskunst der Gegend.

Der Küste entlang ging es danach westwärts, meist einem der vielen Fjorde entlang. Zwischendurch stieg die Strasse zu einem kleinen Pass hoch, um alsbald wieder zum nächsten Meeresarm hinunterzuführen. Das Wetter war nach einem kurzen Schauer recht sonnig, erst im Laufe des Nachmittags fuhren wir unter tief hängendem Hochnebel durch die Landschaft. In Bitavarra, am Anfang des schmalen und langen Lyngen Fjords gelegen, legten wir unseren Etappenhalt ein. Der dortige Campingplatz bot alle notwendigen Dienstleistungen an , um nach einigen Tagen im Busch wieder zu retablieren: Duschen, Wäsche waschen, Website auf den neusten Stand bringen, etc.

Wir folgten weiter der E6 südwärts. Noch war der tief hängende Nebel allgegenwärtig, löste sich jedoch immer mehr auf und wir konnten die herrliche Fjordlandschaft geniessen. Da wir die Lofoten auf der ganzen Länge, inklusiv der nördlich davon gelegenen Inselgruppen, bereisen wollten, steuerten wir erst die Insel Senja an. Unser Plan war, von dort nach Andenes überzusetzen. Senja selber ist eine landschaftlich wunderschöne Insel. Anstatt Senja auf direkten Weg zu durchqueren, folgten wir der Nord- und später der Ostküste. Dabei  fiel uns ins Auge, dass der Frühling hier mit voller Blütenpracht Einzug gehalten hatte. Die Wiesen waren teilweise mit leuchtend gelben Teppichen bedeckten. Als wir die Fjorde der Nordküste erreichten, wurde die Landschaft richtig spektakulär. Schneeweisse, feinsandige Strände, mächtige Felstürme und kristallklare Seen säumten die Strecke. Immer wieder führte die Strasse weit ins Landesinnere, um dann wieder der Küste folgend zum Eingang des Fjords zu gelangen. Teilweise kürzten lange, dunkle Tunnel diese Umfahrungen etwas ab. Gegen vier Uhr nachmittags erreichten wir den Fährhafen von Gryllefjord. Der Parkplatz war bereits knallvoll mit Campern, obwohl  erst kurz zuvor eine Fähre abgelegt hatte. Die Überfahrt kann nicht im voraus reserviert werden,  also bleibt nichts anderes übrig, als hinzufahren und abzuwarten, bis man einen Platz erhält. Wir hofften, auf der Abendfähre mitfahren zu können. Wir hatten riesiges Glück, denn nachdem die Barriere bereits geschlossen war, wurde sie nochmals geöffnet und ein Crewmitglied lotste uns an Bord. Unser Fahrzeug passte genau in die letzte verbliebene Lücke. Wären wir einen Meter länger gewesen, hätten wir bis 11 Uhr am nächsten Morgen warten müssen. So erreichten wir spätabends doch noch Andenes und übernachteten dort auf einem Parkplatz in Hafennähe.

Der nächste Morgen war zunächst neblig und wolkenverhangen. Wir folgten der Westküste Andoyas. Langsam lichtete sich der Nebel und vereinzelt brachen bereits blaue Löcher am Himmel auf. Der Bukkekjerka Rastplatz ist bekannt wegen seiner ausgefallenen Betonarchitektur, vor allem die supermodernen Toiletten. Im Inneren des WC's kann das vollflächige Panoramafenster per Knopfdruck auf transparent geschaltet oder wenn man dem Sichtschutz der Aussenverspiegelung nicht traut, als Milchglas belassen werden. Die Aussicht auf die Küste ist aber so spektakulär, dass wohl die meisten Besucher das Panorama auf dem Thron sitzend geniessen wollen.

Auf der Weiterfahrt bemerkte Myrta einmal mehr einen Seeadler, der auf einem Felsen nach Beute Ausschau hielt und kurz danach zwei weitere der eindrücklichen Raubvögel. Als wir am Fährenanleger in Flesnes eintrafen, zog nur noch ein schmales Wolkenband über den Meeresarm, ansonsten war der Himmel weitgehend blau. Wir legten einen Zwischenhalt in Harstad, einer auf mehrere Inseln verteilte Gemeinde ein. Der Ort lebt vor allem vom Tourismus, da er Anlaufstelle der Hurtigrouten ist. Die etwas ausserhalb der Stadt gelegene Steinkirche aus dem 15. Jahrhundert konnten wir, wie viele andere, nur von aussen besichtigen. Eine weitere Attraktion, die sog. Adolfkanonen aus dem 2. Weltkrieg, können ebenfalls nur nach vorheriger Reservation besichtiget werden. Die riesigen Geschütze mit einem Kaliber von fast 50 cm und einer Rohrlänge von 20 m sollen in der Lage gewesen sein, bis nach Narvik, Luftlinie ca. 55 km entfernt, zu schiessen. Die Route führte uns anschliessend der Ostküste entlang Richtung Lofoten Inseln. Noch war die Landschaft zwar sehenswert, aber nicht spektakulär. Am Fiskefjord fanden wir etwas unterhalb der Hauptstrasse einen herrlichen Übernachtungsplatz, mit dem einzigen kleinen Nachteil, dass die Strassengeräuschen zu hören waren. Das Plätzchen ist nur über eine steile Abfahrt zu erreichen und alles, was grösser als ein VW Bus ist, müsste wohl rückwärts wieder hochfahren, da keine Wendemöglichkeit besteht. Der Fiskefjord oder Fischfjord hielt nicht wirklich, was sein Name versprach. Ueli hatte auf jeden Fall wieder keinen Erfolg beim Angeln. 

Die Landschaft wurde nun zunehmend eindrücklicher, genau so wie man es von den Lofoten Bildern kennt. Berge und Fjorde, rote Häuser und tiefblaue Seen so weit das Auge reicht. Zu den Lofoten zählen alle Inseln, welche südwestlich vom Raftsund liegen, den man über eine der vielen Brücken überquert. Wir fuhren zu den Inseln hinaus, wo Henningsvaer, einer der bekanntesten und auch schönsten Orte der Lofoten liegt. Schon die Anfahrt, vorbei an türkisblauen Buchten mit weissen Sandstränden und über geschwungene Brücken, ist spektakulär. Wir parkten unseren Camper beim Fussballplatz, am Südzipfel des Ortes. Auf dem Weg ins Dorf kamen wir an vielen der Fischtrocknungsgestelle vorbei, wo der im Winter gefischte Kabeljau bis zum Frühjahr luftgetrocknet wird. Die Holzgestelle werden mit etwas Abstand zu den Wohnquartieren, auf einem Felshügel errichtet, wo der Wind immer zügig bläst. Die Gestelle waren jedoch bereits leer und der Trockenfisch in alle Welt exportiert. Das Dorf selber ist mit seinem engen und gut geschützten Hafen sehr fotogen. Die farbigen Häuser und die schmucken Fischerboote sind begehrte Fotosujets.

Einige Kilometer abseits der lärmigen Hauptroute fanden wir Platz im sehr schön gelegenen Rystad Lofoten Camping. Dieser liegt an der Nordküste einer Halbinsel und gibt den Blick frei auf einen genau nach Norden ausgerichteten Fjord. Links und rechts wird dieser von Bergen eingerahmt. Das perfekte Szenario und die perfekten Wetterbedingungen, um endlich ein Zeitraffervideo der Mitternachtssonne drehen zu können. Auf dem Grasdach eines kleinen Gebäudes direkt neben unserem Stellplatz hatte ein Austernfischerpaar sein Nest gebaut und ein Junges ausgebrütet. Was die Vogeleltern, eigentlich Bodenbrüter, offenbar nicht bedacht hatten, war, wie sie ihr Junges vom Dach runter ans Wasser bringen sollten. Nachbarn erzählten, dass sie die Vögel seit zwei Tagen  beobachteten, wie sie das Junge anspornten, auf den Boden zu springen.

Ueli schaltete die GoPro für das Video um 21 Uhr ein und ging um Mitternacht nochmal raus, um die Aufnahme für weitere zwei Stunden zu starten. Um zwei Uhr war der Film im Kasten und die Ausrüstung konnte ins Auto geholt werden. Die paar Stunden Schlaf, die geopfert wurden, lohnten sich, wie man unten sieht. Es müssen doch einige Faktoren passen, um ein solches Video zu erstellen: 1. die Jahreszeit, d.h. plus/minus ein paar Wochen um den 21. Juni. 2. muss man sich nördlich des Polarkreises befinden, die Sicht nach Norden muss frei sein, mit einem tiefen Horizont, idealerweise am Meer. Und zu guter Letzt muss natürlich das Wetter stimmen. Mindestens einer dieser Faktoren hatte bis dahin jeweils nicht gepasst, umso schöner, dass es in der letztmöglichen Nacht doch noch funktioniert hat.

Wir folgten den Inseln weiter und machten zwei Abstecher zu berühmten Stränden. Zuerst besuchten wir den Unstad Strand, dem nördlichsten Wellenreiterspot in der Welt (bei unserem Besuch war das Meer allerdings spiegelglatt). Wenig später machten wir den Abstecher zu den Stränden in der Vik Bucht. Vor allem der Haukland Beach war sehr gut besucht. Viele junge Leute tummelten sich am schneeweissen Strand und Hartgesottene badeten natürlich auch. Am Vik Strand hatte es bedeutend weniger Leute, nicht zuletzt, weil es dort keine Infrastruktur zum Campen gibt und ein Grossteil durch private Grundstücke nicht zugänglich ist. Der weisse Sand und das türkise Wasser erinnern an die Karibik. Wie würde es hier wohl aussehen, wenn Luft- und Wassertemperaturen karibische Werte aufweisen würden?   In Napp statteten wir dem Lofoten Seaweed Laden einen Besuch ab. Wir hatten vor einigen Monaten einen Dokumentarfilm über die zwei Frauen gesehen, welche auf den Lofoten verschiedenste Algenarten ernten und zu unzähligen Produkten verarbeiteten. Gewürze, getrocknete Algen, Kosmetika und vieles mehr davon wird im Laden zum Kauf angeboten. Um später zwischendurch mal wieder Lofoten Feeling zu erleben, deckten wir uns mit Gewürzen ein.  

Bei Mölnarodden machten wir einen kleinen Fussmarsch hoch zum Solbjörnvatnet, einem grossen Stausee hoch über dem Ort. Hier war die Frühlingsblüte der Waldblumen im vollen Gange.
Fast am Südende der Inselgruppe liegen weitere sehenswerte Dörfer, alle schön herausgeputzt mit ihren farbigen Häusern, mal schwedenrot, mal senfgelb, dann wieder grau. Und immer haben sie auch einen pittoresken Hafen. Einer der schönsten Orte ist Reine. Da gerade ein Hurtigruten Schiff im Hafen lag, herrschte Hochbetrieb im Ort. Auch eine Rallye mit historischen Bugattis machte Zwischenhalt, als wir da waren.
Das schliesslich letzte Dorf, auch dieses sehr sehenswert, ist «Å», die Ortschaft, die wohl immer zuoberst steht in Ortsnamenslisten. Viele der alten Gebäude im Ortskern sind ein einziges, grosses Freiluftmuseum. Wir hatten gehofft in der Bäckerei, auch Teil des Museumskomplexes, ein Brot aus dem uralten Holzofen kaufen zu können. Die Bäckerei, sie bäckt zudem jeden Tag 600 Zimtschnecken, ist täglich schon Mittags ausgeschossen.

Wir fuhren zurück nach Moskenes von wo aus wir die Fähre nach Bodö gebucht hatten. Tage zuvor hatten wir feststellen müssen, dass alle Abfahrten am Tage ausgebucht waren. Um sicher zu sein, nicht wieder Stunden auf die nächste Fähre warten zu müssen, buchten wir eine Überfahrt um 19:30. Da diese auch noch den Umweg über die Insel Vaeröya machte, war die planmässige Ankunft um 0:45. Aber es war die richtige Entscheidung, denn auch wenn der grösste Teil der Kapazitäten nicht reservierbar ist, muss man in der Regel ein oder gar zwei Abfahrten am Hafen abwarten, bis man einen Platz bekommt. Und das in Richtung Süden in der Vorsaison!

 

Ein weiteres Mal konnten wir die Mitternachtssonne geniessen, diesmal vom Schiff aus. Bei strahlendem Sonnenschein erreichten wir bereits weit nach Mitternacht Bodö und fuhren noch an den Stadtrand zu einem ruhigen Parkplatz, um dort noch ein paar Stunden zu schlafen.
In der Nacht hatte das Wetter umgeschlagen, Regen und tiefliegende, graue Wolken erwarteten uns beim Aufstehen. Wir waren nur glücklich, drei wundervolle Tage bei bestem Wetter auf den Lofoten erlebt zu haben.

Bei strömendem Regen besuchten wir die Saltstraumen. An dieser Meerenge, sie ist nun etwa zweihundert Meter breit, kann man die angeblich stärkste Gezeitenströmung beobachten. Ach wenn der Gezeiten Unterschied nicht einmal 1 m ausmacht strömt das Wasser mit unglaublicher Geschwindigkeit durch die Enge. Der Grund ist das riesige Wasservolumen des Skjerstadfjorden, welches zweimal am Tag durch Ebbe und Flut ausgetauscht wird. Touristen werden als Attraktion mit starkmotorisierten Schlauchbooten hoch und runter gefahren um einen Eindruck der gewaltigen Wassermassen zu bekommen. Wir schauten uns das Schauspiel vom Festland aus an, auch das ist schon eindrücklich. Am eindrücklichsten ist es, wenn man bei etwa Halbzeit zwischen Ebbe und Flut vor Ort ist.  

 

Der weitere Verlauf der Route entlang der bekannten Küstenstrasse Nr. 17 wäre landschaftlich sicher ein Höhepunkt. Leider war der Himmel meist grau verhangen und es regnete fast ununterbrochen. So durchfuhren wir diese schöne Region, ohne dass wir wirklich viel davon erkennen konnten. Nun, auch dieses Wetter gehört zu einer Skandinavienreise und bis anhin konnten wir uns ja auch gar nicht beklagen. Um nach Agskardet zu gelangen, mussten wir eine erste, kurze Fähre nehmen. Wir hatten Glück und konnten direkt auf das Schiff fahren, welches auch innert Minuten ablegte. Bis nach Jektvika waren es noch einmal dreissig Kilometer. Hier hatten wir weniger Glück. Die erste Fähre konnte nur etwa zwei Drittel der wartenden Fahrzeuge aufnehmen. Auch wir mussten noch einmal eine Stunde warten, hatten dann aber ohne Probleme Platz gefunden. Das Wetter hatte unterdessen merklich aufgeklart und die ein stündige Überfahrt nach Kilboghamn bot uns schöne Ausblicke auf die eindrückliche Fjordlandschaft. Nur zehn Minuten vom Fähranleger kamen wir im Polar Camp unter. Wilde Camps sind in dieser Gegend fast ausschliesslich Park- oder Pic-Nic Plätze direkt an der Strasse, nicht so unser Ding. Unser Stellplatz war direkt am Meeresarm und wenn das Wetter sonniger gewesen wäre, hätten wir noch einmal die Mitternachtssonne erleben können. Den Polarkreis hatten wir zwar auf der kurzen Fährstrecke wieder südwärts überschritten, aber die Sonne geht trotzdem so nah am längsten Tag nie komplett unter.
Mitten in der Nacht wachte Ueli auf, da der Wind auf Südwind gedreht hatte und zu Orkanböen angeschwollen war. Nur standen wir mit dem Heck im Wind und dadurch schüttelte es und ganz schön durch und der Lärm von Wind und Regen verhinderte, dass wir weiterschlafen konnten. Wir schlossen das Dach und so wurde es wieder bedeutend angenehmer in unserer kleinen Hütte. Der Morgen war grau und es schüttete in Strömen. Auf dem Weg nach Mo i Rana klarte es zum Glück immer wieder etwas auf und auch der Regen machte mal Pause. Ein gutes Stück folgten wir der viel befahrenen E 6, einer der Hauptzubringerrouten nach Norden. Aber schon bei Korgen bogen wir auf eine Nebenstrecke ab. Die Route wurde zunehmend bergiger und die schmale Strasse verlangte die ganze Aufmerksamkeit des Fahrers. Bis über 600 müM kletterte sie schliesslich und folgte dann in einem andauernden hoch und runter durch die Gebirgslandschaft. Entlang des Stausees Rössvatnet ging es Richtung Hattfjelldal. Plötzlich rief Myrta aus «ein Elch». Ueli hielt an und tatsächlich graste einer am Waldrand. Er beäugte uns argwöhnisch und obschon wir über 100 m zwischen uns hatten, drehte er um und verschwand im Wald. Wir blieben ruhig stehen und tatsächlich traute es sich bald wieder aus der Deckung und beobachtete uns noch immer unsicher. Irgendeinmal entschied er sich aber doch noch, besser im Wald unterzutauchen.

Schweden

Über einen kleinen Grenzübergang erreichten wir Schweden wieder. Die Strasse führte kaum Verkehr und die Landschaft war abwechslungsreich. Wald wechselte mit Seen ab, nur auf Ortschaften trifft man kaum noch. Etwas abseits der kaum befahrenen Strasse richteten wir uns an einem Fluss ein. Direkt neben den Stromschnellen hat es eine Grillstelle und neben dem Unterstand hatte unser Auto grad so Platz. Das Wetter hatte sich etwas beruhigt und vor dem nach wie vor starken Wind waren wir im Wald gut geschützt. Nur die Intensität des Rauschens hatten wir etwas unterschätzt. Als wir zu Bett gingen, schlossen wir deshalb das Dach, um ruhiger schlafen zu können.

Bis nach Wilhelmina an der Hauptroute war es nun nicht mehr allzu weit. Dieser folgen wir dann weiter südwärts und erreichten Östersund bereits im frühen Nachmittag. Die Strecke war recht monoton, denn sie führte grösstenteils durch Wälder und nur ab und zu erhaschte man einen Blick auf Seen und Flüsse. Nur einige kleine Ortschaften zwangen uns einige Male die Geschwindigkeit zu reduzieren, ansonsten cruisten wir mit 80–90 km/h durch die Gegend, denn Verkehr hatte es kaum, obschon es eine der wichtigen Nord-Südverbindungen ist.

Wir machten früh halt an diesem Tag und übernachteten einmal mehr an einem sehr ruhigen Platz am Storsjön See.

Auf dem weiteren Weg zurück nach Norwegen wurde die Landschaft zunehmend gebirgiger. Plötzlich wurden wir von einem mitten auf der Strasse gehenden Rentier überrascht. Der alte Herr liess sich weder von uns noch vom Gegenverkehr beeindruckten und trottete gemütlich weiter mitten auf der Fahrbahn dahin. Erst nach einigen hundert Meter bog er schliesslich ins Gebüsch ab und verschwand. Bei Hede bogen wir auf eine ungeteerte, aber sehr gut befahrbare Nebenstrecke ab. Die Piste stieg steil zu einer Hochebene an und führte durch weitgehend unbewohnte Gebiete. Die Landschaft war abwechslungsreich und die Strecke führte auch immer wieder an Seen vorbei.  Wir kamen auch öfters mit zum Teil grossen Herden Rentiere in Kontakt. Oft gingen auch diese gerne mitten auf der Strasse, sodass man immer auch der Hut sein musste. In der Ferne sah man auch bereits die Schneeberge in Norwegen leuchten. Bevor wir aber die Grenze überquerten, füllten wir noch günstigen Diesel auf, sodass der Treibstoff bis nach Deutschland reichen sollte.

Das Städtchen Röros war erst einige Tage zuvor auf unserem Radar aufgetaucht. Da es sich um ein weiteres UNESCO-Weltkulturerbe handelt, waren wir neugierig. Der Ort ist tatsächlich ein Bijou. Der ganze Ortskern ist weitgehend erhalten geblieben. Die Hauptattraktion sind aber die alten Erzverarbeitunganlagen. Seit dem 18. Jahrhundert wurde in der Region in mehreren Minen Kupfererz abgebaut. In die Stadt transportiert, wurde es dort verhüttet. Nachdem noch 1936 letzte ausbeutungswürdige Kupfervorkommen entdeckt wurden, brannte die Anlage 1953 komplett ab und die Verarbeitung wurde eingestellt. In den 1970er Jahren wurde alles, inklusive der alten Häuschen der Bergarbeiter, neu aufgebaut und zu einem Museum.  

Das nächste Zwischenziel war der Dovrefjell Nationalpark. Dort besteht die einzige Möglichkeit in Europa, Moschusochsen in der Natur zu sehen. Wir unternahmen eine Wanderung durch ein Gebiet des Parks, wo diese seltenen Tiere öfter mal gesichtet werden. Obschon die karge Gebirgslandschaft keine Verstecke bieten, hatten wir kein Glück. Nur frische Hufspuren bekamen wir zu sehen. Es lohnte sich aber trotzdem durch die Tundra ähnliche Gegend zu streifen. Schneeweisse Flechten erweckten manchmal den Eindruck, dass noch Schneefelder in der Landschaft liegen.
Anderntags wanderten wir recht früh schon zum Snöhetta Aussichtspunkt hoch. Die Wanderung ist kurz und der Weg einfach zu gehen. Da es in der exponierten Lage wohl häufig stark windet, wurde ein futuristisches Gebäude aus massiven, elegant geformten Holzstämmen gebaut. Richtung Berge bietet das grosse Panoramafenster eine eindrückliche Aussicht auf die Berge. Wir vermuten, dass die Moschusochsen sich bereits in diese Regionen zurückgezogen hatten, wir hatten auch an diesem Tag nicht das Glück sie zu sehen.

Auf gut ausgebauten Strassen führte unsere Route weiter nach Südwesten.
Bei Lom bogen wir auf die schmale und steile Bergstrasse durch das Sognefjell Massiv ab. Im Tal war der Frühling schon fast vorbei, aber oben auf 1500 m herrschten noch winterliche Bedingungen. Wir staunten nicht schlecht, als wir an der Strasse eine gigantische Säule entdeckten. Wir machten einen Halt, um die skurrile Geschichte des Monuments zu erfahren. 1926 eröffnete die norwegische Regierung einen Wettbewerb, um ein Monument zur Feier der Verfassung zu beschaffen. Der Bildhauer Wilhelm Rasmussen gewann den Auftrag mit seinem Vorschlag, eine 34 Meter hohe Säule zu gestalten, welche die Geschichte des Landes dokumentieren sollte. Bevor sie aber fertiggestellt und wie geplant vor dem Parlament errichtet werden konnte, wurde der Plan verworfen, da es sich herausstellte, dass der Künstler mit den Nazis sympathisierte. Erst viele Jahre später wurde die Säule wieder entdeckt und der Besitzer des nahen Hotels kaufte und restaurierte sie und errichtete sie am jetzigen Standort.

Die Seen waren zum Teil noch gefroren und überall lagen noch immer meterhohe Schneefelder. Schon wieder auf dem Weg ins Tal nahmen wir die kostenpflichtige Abkürzung auf der Tindevegen welche direkt hinunter nach Övre Ardal führt. In einem Seitental übernachteten wir im Utladalen Camping, welcher empfehlenswert ist. Ganz in der Nähe kann man den Hjelle Wasserfall direkt an der Strasse besichtigen, aber es gibt in der Region auch viele, oft anspruchsvolle Wanderwege.

 

Typischen Fjorden entlang führt die Strasse nach Laerdal. Dort hat man die Wahl den mit 25 Km längsten Strassentunnel zu nehmen oder, wie wir, über die alte Bergstrasse zu fahren. Auch hier tauchten wir noch einmal in den Winter ein. Schon wieder unter der Baumgrenze, erreichten wir einen beliebten Aussichtspunkt, welcher die Sicht auf den darunter liegenden Auslandsfjord ermöglicht. Der Parkplatz war übervoll und es herrschte ein dichtes Gedränge auf der Aussichtsplattform. 

Erst in Flam erkannten wir den Grund des Trubels: Eines der riesigen Kreuzfahrtschiffe hatte dort angelegt und seine tausenden Passagiere ausgespuckt. In alle Richtungen wurden diese nun verfrachtet, um ihre persönlichen Abenteuer beim Landgang zu erleben. Unter vielem Anderen eben auch die Fahrt hoch zum Stegastein Aussichtspunkt. Auch in Flam wimmelte es von Leuten und sogar die Crew des Schiffes durfte an einer gigantischen Grillparty frische Luft und Sonne geniessen.
Auf einer Nebenstrecke ging es erneut hoch in die Berge. In der Steigung hatten wir beim Blick auf das GPS Display erst den Eindruck, dass die Karte fehlerhaft ist. Es stellte sich aber heraus, dass das Strassenknäuel tatsächlich übereinanderliegende Tunnel waren. Diese wurden gebaut, weil schlicht kein Platz vorhanden gewesen wäre, die Höhe anders zu überwinden. Einmal mehr durchquerte die Strasse eine karge Hochebene. Diese liessen wir hinter uns, um an einem schönen Fluss in tieferen Lagen einen angenehmen Abend und eine ruhige Nacht zu verbringen.

Unser nächstes Ziel war ein Ort, nördlich von Oslo. Wir hatten vor einigen Jahren in Montenegro ein reisefreudiges Paar aus Norwegen kennengelernt und waren auf Facebook in Kontakt geblieben. Da wir nun in der Nähe ihres Wohnortes vorbeikamen und sie auch noch zu Hause waren, machten wir einen Besuch bei ihnen. Wir genossen es, nach der langen Zeit mit ihnen den Abend zu verbringen und über Gott und die Welt zu plaudern. Das Wetter war herrlich und warm, sodass wir den Nachmittag im Gartenhaus verbrachten.

Aber wieder sollte das Wetter kippen und es waren an der Küste gar heftige Gewitter, Stürme und Starkregen angesagt. Deshalb wählten wir auf dem Weg nach Schweden eine Strecke weiter im Landesinnern. Eigentlich war der Plan gewesen, von Oslo nach Kopenhagen die Fähre zu nehmen. Diese war aber auch Richtung Süden bereits seit längerem bis Mitte Juli ausgebucht gewesen. Wir mussten deshalb unsere Pläne ändern und beschlossen über Malmö nach Dänemark zu fahren. Ein letztes Mal übernachteten wir an einem skandinavischen See in der Natur. Wir beobachteten eine grosse Gruppe junger Leute, die auf einem ausgedehnten Kanutrip waren und ihre schwerbeladenen Boote an unserem Camp vorbei vom einten See zum anderen portierten. Noch am Abend ging ein weiterer, heftiger Schauer nieder und wir fragten uns, wie die Gruppe die Nacht überstanden haben mag.

Auf unserer Weiterfahrt machten wir in Halmstad noch einen letzten Halt auf schwedischem Boden, bevor wir nach einigen Umwegen und Sackgassen auf einem Wanderparkplatz für die Nacht unterkamen.

Dänemark

Über den Öresund erreichten wir bei Kopenhagen Dänemark. Die eindrucksvolle Brücke schwingt sich hoch über dem Wasser, sodass auch grosse Schiffe problemlos untendurch fahren können. Auf einer Insel verschwindet dann die Strasse in einem Tunnel und unterquert einen weiteren Meeresarm. Wir blieben auf der Autobahn, um die Insel Mön zu erreichen. Ein kurzer Spaziergang durch den netten Ort Stege war eine angenehme Unterbrechung der langen Autofahrt. Danach fuhren wir zu den Klippen von Möns Klint an der Ostküste. Ein erster Versuch die Landschaft auf einer Wanderung zu entdecken scheiterte, da die Treppen beim Schloss Liselund beschädigt waren und zudem unzählige Bäume den Durchgang am Strand verwehrten. Weiter südlich kamen wir doch noch auf unsere Kosten. Durch schöne Wälder und Wiesen führt ein Weg zu der Steilküste und bietet immer wieder Tiefblicke auf das grünblaue Meer. Die weissen Sedimentklippen kontrastieren im sonnigen Wetter herrlich mit dem Grün der Wälder und dem tiefblauen Wasser.
Später suchten wir wieder einen Übernachtungsplatz. Die Optionen sind aber rar, entweder steht ein Campingverbotsschild oder aber man stellt sich auf einem Parkplatz in die Reihe mit vielen anderen. Deshalb wählten wir schliesslich einen Campingplatz, welcher sich zudem als gute Wahl herausstellte.

Überquerung der Öresund Brücke

Nachdem wir bei sommerlichen Temperaturen und strahlend blauem Himmel den Abend draussen verbracht hatten, versprach der Wetterbericht einen Wechsel zu trübem und regnerischen Wetter. Als wir aufwachten, mussten wir feststellen, dass die Wetterapp leider eine korrekte Prognose gestellt hatte.

Erst hofften wir auf Besserung, wie es schon öfters der Fall gewesen war, aber wir wurden enttäuscht. Eigentlich hätten wir gerne die Insel Lolland erkunden und hatten deshalb die Fähre nach Puttgarden erst für den Abend gebucht. Nun, bei diesem Wetter ergab es wirklich keinen Sinn und so fuhren wir auf gut Glück nach Rödby und versuchten eine frühere Verbindung zu erwischen. Das war dann nach Aufzahlen kein Problem und 10 Minuten später waren wir an Bord.

Das Wetter wollte auch in Deutschland nicht besser werden, und so fuhren wir halt weiter nach Westen in der Hoffnung, dass es doch noch besser würde. Und tatsächlich, als wir Glückstadt gegen Abend erreichten, hatte es aufgeklart und wir genossen den Apéro am Marktplatz bei zeitweiligem Sonnenschein. Da wir direkt nach der Elbfähre übernachten wollten, bot es sich an, in der Stadt zu essen. Wir hatten aber noch nicht fertig gegessen, als der nächste Platzregen niederging. An der Fähre stauten sich eine lange Kolonne. Offensichtlich waren am Sonntagabend viele Leute auf dem Heimweg ans Südufer. So mussten wir einige der Schiffe abwarten, bis wir Platz fanden.

Wir schauten uns die Wetterprognose für Norddeutschland und Holland an und mussten einsehen, dass sich das unbeständige Wetter auch in den nächsten Tagen nicht bessern würde. Deshalb, wurde der Beschluss gefasst, auf den Abstecher in die Niederlande zu verzichten. Ueli plante spontan eine direkte Route Richtung Heimat. Aufgrund der Sommerferien schien es sogar auf den deutschen Autobahnen für einmal etwas ruhiger zu und herzugehen. Wir kamen dann auch wirklich problemlos und zügig voran. Immer wieder, wie angekündigt, gingen zum Teil heftige Schauer nieder. Gegen Abend fand Myrta einen Stellplatz in Motten, einem kleinen Ort auf etwa halben Weg nach Hause, den wir ansteuerten. Mitten im Ort stellt die Gemeinde einige Stellplätze kostenlos zur Verfügung. Im einzigen Restaurant nahmen wir das Nachtessen ein. Bald waren wir im Gespräch mit einem Tischnachbar und kurz darauf kam ein Paar, welches ebenfalls im Camper nächtigte, ebenfalls fürs Nachtessen.

Wir wählten die Autobahn über Stuttgart, um die oft stark belastete A5 durch das Rheintal zu vermeiden und konnten tatsächlich bis Donaueschingen ohne die kleinste Verzögerung durchfahren. Dort kauften wir noch Lebensmittel und später füllten wir die Dieseltanks ein letztes Mal und waren am späten Nachmittag wieder zu Hause.